Ich hätte ja mal rausgehen können. Oder ich hätte ja mal mitgehen können auf Winfrieds Geburtstag, einfach ein paar soziale Kontakte knüpfen. Ich hätte auch einfach mal wieder Tanzen gehen können. Ja, das hätte ich tun können….
Aber meine Realität sieht ein kleines bisschen anders aus. Es ist Freitagabend 21 Uhr und ich sitze im Bett. Nicht weil ich müde bin, sondern weil ich mir wieder mal nichts organisiert habe. In meinem Zimmer hängt ein großes Poster mit der Aufschrift: „Heute mal nichts erlebt? Auch gut!“ Dieses „mal“ ist bei mir aber kein Einzelfall. Um ehrlich zu sein, ist es zur Gewohnheit geworden. Und jetzt wartet wieder einer dieser Abende auf mich, an denen ich nichts sehen werde außer Netflix und meine geliebte Vierkäsepizza.
Und das ist jetzt mein Leben?! Das soll es gewesen sein?! Ich habe das Gefühl, dass ich niemanden mehr kenne und mich selbst immer mehr verkommen lasse.
Das schlechte Gewissen breitet sich aus wie eine Wolke aus kaltem Staub. Und da höre ich sie. Erst leise und dann zunehmend lauter. Meine innere Stimme: „Soll das alles gewesen sein?“ Dieses todlangweilige Leben, indem ich nichts tue außer zu arbeiten, meine Wohnung zu putzen, ab und zu mal eine Runde um den Block zu gehen, um mich dann wieder Stunden lang hinter dem Computer zu verstecken? Verdammt NEIN!
Neuer Wind
Ich bin so dankbar für dieses aufkommende Gefühl, dass ich direkt aufstehe. Immerhin ist es ja auch erst 21 Uhr. Da bleiben mir für heute noch drei Stunden, um loszulegen. Aber womit? Ich habe ja keine Ahnung, wo ich anfangen soll. Hilfesuchend sehe ich mich in meinem Zimmer um. Mein Blick wandert von der angebissenen Käsepizza über die zerknüllten Kissen die Wand hinauf. Da hängt nur dieses Poster. Ich blicke nochmal auf das Bett. Dann wieder zum Poster. Und da weiß ich es auf einmal. Dieses verdammte Poster kann da unmöglich hängen bleiben.
Ich brauche nichts, was mich darin unterstützt, weiter auf der faulen Haut zu liegen. Denn genau das habe ich die ganze Zeit getan. Ich war es ja auch, die sich das Poster gekauft hat. Für mich damals die ultimative Ausrede. Aber Ausreden hinterlassen auch nichts als ein schlechtes Gewissen. Also weg damit.
Ein paar Minuten später starre ich die nackte Wand an. Jetzt fühle ich mich doch irgendwie einsam. Wenn man sich von dem löst, was einem Halt in der Haltlosigkeit gegeben hat, fühlt man sich plötzlich einsam. Die innere Stimme wird noch lauter: „Soll das alles gewesen sein?“
Sofort kommen mir Szenarien in den Kopf, wie ich einsam und alleine mit meinem Dackel in einer schlecht besuchten Pizzeria sitze und lustlos in meinem Kaffee herumrühre. Spätestens mit diesem Bild im Kopf, weiß ich, dass ich wieder anfangen muss raus zu gehen. Gegen Einsamkeit hilft soziale Kontakte knüpfen. Ich habe mich zurück gezogen, obwohl ich mich doch eigentlich viel lieber mit anderen Menschen verbinden würde. Nur dieses Wörtchen „eigentlich“ scheint mich hier abzuhalten.
Startschuss: soziale Kontakte knüpfen?!
Von meinen drei Stunden bis Mitternacht bleiben mir noch zweieinhalb. Was würdest du in zweieinhalb Stunden machen, um den Startschuss abzufeuern, neue Kontakte zu knüpfen? Ich weiß, dass das Gefühl der Notwendigkeit morgen fast verflogen sein wird. Ich nutze also meine Zeit, um mir eine Challenge auszudenken, in der ich nun die nächsten 30 Tage soziale Kontakte knüpfen werde.
Und noch eine Sache. Die kahle Stelle an der Wand soll unbedingt eine neue Aufgabe bekommen. Sie soll mich motivieren, raus zu gehen, um mich mit anderen zu verbinden. Sie soll mich darauf hinweisen, dass es außerhalb meiner Wohnung noch eine große spannende Welt voller Wunder, Abenteuer und spannender Menschen zu entdecken gibt. Und du kannst dir vermutlich schon denken, welchen Spruch ich mir jetzt fett an die Wand gepinnt habe….